Mediation im Erbrecht

Eines ist sicher: der Erbfall

Früher oder später, ob man will oder nicht. Das Erbrecht regelt sodann die rechtlichen Folgen des Erbfalls, sprich des Todesfalls. Die Hinterbliebenen müssen sich, ob sie wollen oder nicht, mit dem Nachlass auseinandersetzen. Der Tod eines geliebten oder auch völlig unbekannten Menschen betrifft uns persönlich wie auch wirtschaftlich. Emotionale und wirtschaftliche Themen treten zumeist gemeinsam – wenn auch in unterschiedlichen Maßen – auf. Die Beteiligten betreten das Mienenfeld.

Situation und erbrechtliche Regelungen sind komplex

Die oft komplexen Regelungen und Aufgaben sind eine zusätzliche Belastung und massive Herausforderung für die Beteiligten. Erben, Miterben, Pflichtteilsberechtigte und selbst Testamentsvollstrecker wissen oft nicht genau, was zu tun ist. Nicht selten wissen sie nicht einmal, was sie jetzt überhaupt wollen. Selbst wenn die Rechtslage durch Berater kompetent und sachlich erläutert wird, treten sich nach und nach Ansprüche gegensätzlich und konfliktverstärkend gegenüber. Misstrauen und fehlendes Verständnis lassen den Konflikt eskalieren. Der Weg über eine gerichtliche Klärung ist dann zwar auf das „rein rechtliche“ beschränkt, aber dennoch lang, kostenintensiv und zermürbend. In Familie und Unternehmen sind beim Gang durch das Mienenfeld Kollateralschäden fast unausweichlich.

Anderer Ansatz der Mediation

Die Mediation setzt anders an. Mediatoren entscheiden nicht über die Köpfe der Menschen hinweg. Sie vertreten auch nicht die Wünsche und Begehrlichkeiten einzelner Angehöriger oder Hinterbliebener.  Die Mediation schafft den Raum, in dem alle Beteiligten, seien sie Erben, Miterben oder Enterbte ihre Vorstellungen darlegen können. An diesen Stellen kann und soll auch das zur Sprache kommen, was rechtlich vielleicht nicht relevant wäre – aber den Beteiligten wichtig ist. Die Medianten sollen informiert und eigenverantwortlich die Lösungen entwickeln, die ihren Interessen am besten entsprechen. Eine Mediation im Erbrecht kann jahrzehntelang aufgestaute und aufgebaute Konflikte nicht auflösen. Sie sorgt aber für ein Verfahren, in dem diese Konflikte eine Einigung nicht verhindern.

Bessere, weil eigene Lösungen

In der Mediation geht es – anders als in der rein rechtlichen oder prozessualen Behandlung – nur um Ihren Einzelfall. Aufgabe der Mediatoren/des Mediators ist es sicherzustellen, dass die jeweils individuellen Interessen für beide Seiten wahrnehmbar werden. Hiernach fällt es den Beteiligten oftmals leichter, eine Lösung zu finden, die sie zuvor nicht für möglich gehalten haben. Wenn zuvor nur von erbrechtliche Ansprüchen die Rede war, werden jetzt Wege und Lösungen sichtbar und möglich, die dem reinen Erbrecht verschlossen waren. Die Parteien haben die Lösung selbst erarbeitet. Sie wurde ihr nicht auf anwaltlichen Rat oder von einem Gericht aufgedrängt. Hinter dieser Lösung stehen sie. Zwangsvollstreckungen sind nahezu nie erforderlich.

Niedrigere Kosten

Erbrechtliche Konflikte sind wegen der meist hohen Werte teuer. Eine gerichtliche Auseinandersetzung um ein Einfamilienhaus im Wert von ca. 400.000,00 € verursacht schon in der ersten Instanz anwaltliche und gerichtlichen Kosten (ggf. Teilungsversteigerung und Erlösverteilung) von rund 33.000,00 €. Bei Einlegung eines Rechtsmittels verdoppeln sich Kosten, Zeit- und Nevenaufwand.

Eine Mediatoren oder ein Mediator berechnet nur seinen tatsächlichen Aufwand. Es wird ein Stundensatz vereinbart. Je nach Vermögensverhältnissen liegt der Stundensatz üblicherweise zwischen 200,00 € und 500,00 €. Wenige Sitzungen á vier Stunden sind oftmals schon zielführend. Die Kosten tragen die Beteiligten nach internen Quoten, die sie selbst festlegen.

Schnelligkeit

Gerichtliche Verfahren kosten Zeit. Allein bis zu einer Entscheidung in erster Instanz können Jahre vergehen. Teilungsversteigerungen ziehen sich unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel und Erhebung von Gutachten und Gegengutachten nicht selten über Jahre hin. Diese Zeit verrinnt, ohne dass die Beteiligten der Lösung einen Schritt näher kommen.

Ein Mediatonsverfahren ist regelmäßig erheblich schneller. Auch die Mediation nimmt sich Zeit für die Medianten – gleichwohl wird zügig verhandelt. Je nach Komplexität des Sachverhalts sind durchschnittlich vier bis fünf Sitzungen erforderlich. Das Zeitfenster beträgt in der Regel nur einige Wochen anstatt einiger Jahre. Der entscheidende Vorteil: Die Beteiligten bestimmen, wann und wie oft sie sich treffen, nicht ein Gericht!

Vertraulichkeit

Erbrechtliche Gerichtsverfahren sind öffentlich. Gerichtliche Versteigerungen werden sogar gezielt veröffentlicht und verbreitet. Mediationsverfahren sind demgegenüber vertraulich. Veröffentlicht wird – wenn überhaupt erwünscht – zumeist nur das Ergebnis. Familieninterna bleiben in der Familie,  Unternehmensinterna im Unternehmen.

Erbengemeinschaft

Ausgangslage und Eskalation

Bruder und Schwester sind Erben nach dem Tod des Vaters. Sie bilden damit eine Erbengemeinschaft. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus dem zuletzt vom verstorbenen Vater und Tochter gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus und einigen Erinnerungsstücken. Die Tochter hat sich in den letzten Jahren überwiegend um den Vater gekümmert. Der Sohn möchte – anders als die Tochter – das Haus gerne halten. Die Geschwister haben es zunächst im Guten miteinander versucht. Da die Rechtslage komplex ist, nehmen sie anwaltliche Hilfe in Anspruch. Die Formulierung der Ansprüche und Positionen führte zu einer Verhärtung. Nach einjähriger aussergerichtlicher Verhandlung droht jetzt die Versteigerung des Hauses und ein jahrelanger Rechtsstreit um die Verteilung des etwaigen Erlöses. Ungeklärt  und streitig ist zudem, wie die Leistungen der Schwester im Rahmen des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs zu bewerten sind.

Einleitung der Mediation

Die Geschwister sind nicht gut aufeinander zu sprechen. Gleichwohl wollen sie nicht bis zum bitteren Ende vor Gericht prozessieren. Es sind bereits hohe Kosten aufgelaufen, es drohen höhere. Die Geschwister entschließen sich gemeinsam zu einer Mediation.  Vorab werden der  grobe Ablauf und die Kosten erläutert.

Ablauf des Mediationsverfahrens

Im gemeinsamen Erstgespräch werden die Eckparameter wie Fragen der Vertraulichkeit und der Kostenverteilung vereinbart. Die Geschwister einigen sich auf eine Kostenteilung nach Köpfen. Schon in diesem oder dem Folgetermin geht es zur Sache. Beide Beteiligte erhalten die Möglichkeit, die Aspekte zu benennen, die ihnen für die Auseinandersetzung wichtig sind und was sie ihnen im einzelnen bedeuten. Hierbei sind die Beteiligten nicht auf die Punkte beschränkt, die für eine gerichtliche Auseinandersetzung entscheidend wären. Es wird das erörtert, was dem Medianten/der Mediantin wichtig ist. Im Verfahren wird alle Seiten gehört.  Jeder kann und muss dem anderen auch zuhören. Die Mediatorin/der Mediator sorgt dafür, dass beide Seiten angemessen zu Wort kommen und die „Spielregeln“ eingehalten werden. Im Fall werden dann auch Aspekte wie die Lebensleistung des Vater in Form des Hauses, die Leistung der Schwester für ihren Vater jeweils aus eigener Sicht thematisiert. Wenn die Medianten es wünschen, können die Anwälte als Berater im Hintergrund beisitzen. Alternativ kann nach jeder Gesprächsrunde zur Absicherung mit den Anwälten Rücksprache genommen werden. Bei komplexen Rechtslagen werden die Mediatoren hierauf sogar hinwirken.

Weg zur Lösung

Nach der Phase der Aussprache und Verständigung entwickeln die Parteien mit Unterstützung der Mediatoren selbst Lösungsvorschläge. Die Ideen werden sodann an den vorher herausgearbeiteten Zielen und Interessen gemessen. Keine Seite wird einer Lösung zustimmen, die ihren Vorstellungen zuwider läuft. Es wird eine Lösung gefunden werden, die alle Interessen abdeckt.

Im Beispiel war eine Verständigung dahingehend möglich, dass das Haus zunächst gehalten wurde und die Schwester zu günstigen Konditionen dort wohnen  konnte. Damit wurde ein wirtschaftlicher Engpass ohne den Druck des Totalverlustes überbrückt und konnten sich die Erben später einvernehmlich verständigen.

Die/der mit dem Sachverhalt vertraute Mediatorin/Mediator, ggf. auch die beteiligten Anwälte, prüfen die faktische und rechtliche Umsetzbarkeit und sorgen für einen rechtssicheren Abschluss. Die für beide Seiten verlässliche Abschlussvereinbarung wird im Geist und Wortwahl der Erben und zugleich rechtlich  sicher formuliert.

Unfaire Regelung oder Pflichtteil

Zuweilen empfinden die vom Erbfall Betroffenen ein Testament zwar als rechtlich unangreifbar, gleichwohl aber als unfair. Wer sich durch eine Teilungsanordnung des Erblassers oder eine Pflichtteilsregelung benachteiligt fühlt, kann die Umsetzung dieser – rechtlich oft klaren Testamente – trotzdem erheblich stören. Kosten und Zeitaufwand steigen massiv und sofort. Die zwangsweise Durchsetzung eines Pflichtteils oder eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs kann ruinös werden für den Erben, der zahlen soll, genau wie für den Pflichtteilsberechtigten, der auf die Zahlung wartet. Die Mediation unterstützt die Beteiligten bei der Suche nach einer interessengerechten, für beide Seiten als fair akzeptierten und auch wirtschaftlich darstellbaren Regelung.

 Testamentsvollstreckung

Üben ausgebildete Mediatoren das Amt eines Testamentsvollstreckers selbst aus, handelt es sich nicht um originäre Mediation. Die Beteiligten haben den TV schließlich nicht freiwillig vor sich. Die Qualitäten bei der professionellen Interessenermittlung und der Einsatz von Deeskalationstechniken sind allerdings – insbesondere bei komplexen Aufgaben oder zerstrittenen Erbengemeinschaften – in der Ausübung des Testamentsvollstreckeramtes hilfreich. Die ansonsten oft als unerwünscht empfundene Vollstreckung verläuft nachvollziehbarer und reibungsärmer.

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